Das SlutWalk Berlin Team 2012 ist entsetzt, dass es auf unserer Soli-Party am 21. Juli sexualisierte Übergriffe und sexistische Sprüche gegeben hat. Es ist absurd, wenn auf einer Party gegen sexualisierte Gewalt und Sexismus eben genau so etwas passiert. Dies zeigt vor allem, dass das Bewusstsein für unsere Themen in der Gesellschaft bei vielen Menschen (noch) gar nicht vorhanden ist und wir erst recht aufklären müssen.
Wir bedauern, dass unsere Awareness-Hinweise, das Awarenessteam selbst, politische Statements und Aufrufe zur Solidarität nicht für alle ausreichend wahrnehmbar waren, sodass wir keinen Raum schaffen konnten, in dem alle wussten, an wen sie sich bei Übergriffen wenden können. Große Zettel mit dem Aufruf „Smash Rape Culture“ und der Bitte, gegenseitig aufeinander aufzupassen und so sexistische Übergriffe zu verhindern, die in allen Räumen platziert worden waren, reichten nicht aus, um mit den Situationen angemessen und im Sinne der Betroffenen umzugehen. Ein folgenreicher Fehler, der uns zeigt, dass unsere Anliegen immer wieder und auf vielen Kanälen kommuniziert werden müssen. Zukünftig werden wir mehr präventiv arbeiten!
Wir denken dabei an Plakat-Aktionen, z.B. in Schulen, Clubs, Cafes und ähnlichem. Auch auf der Soli-Party hätten wir noch mehr Flyer und Plakate mit unseren Inhalten verteilen sollen. Es wurden uns hierzu schon viele konstruktive Hinweise gegeben, die wir in Anbetracht auf den Walk realisieren wollen. Dazu gehören die eindeutigere Kennzeichnung des Awarenessteams, genauso wie Aufklärungsflyer, auf denen auch auf das Team verwiesen wird.
Aus Gesprächen der Auswertung zur Soli-Party konnten wir entnehmen, dass bisher leider nicht alle (bekannten) Vorfälle direkt an unser Team herangetragen worden sind. Zur Verbesserung unserer Awareness-Arbeit, um aus den Erfahrungen lernen und Support leisten zu können, sind wir auch auf die Hilfe von Euch allen angewiesen. Wir bitten Euch deswegen, uns eine E-Mail an slutwalkberlin@googlemail.com zu schreiben, wenn Euch auf der Soli-Party weitere Übergriffe passiert sind, um mit uns gemeinsam einen Umgang damit zu finden.
Mit dem Verhalten eines Teils der Türsteher_innen und der organisierten Türpolitik im :// about blank waren auch wir unzufrieden und werden dies dem Club rückmelden. Bitte schreibt uns hierzu Eure Erfahrungen oder Kritikpunkte ebenfalls an slutwalkberlin@googlemail.com.
Kurzzeitig waren wir im Team von den Vorfällen so schockiert, dass wir uns als Organisator_innen mitverantwortlich gefühlt haben, dass die Übergriffe überhaupt geschehen konnten. Aber das ist nicht der richtige Weg. Schuld ist IMMER der/die Täter_in, und er/sie allein! Dafür kämpfen wir doch, dass die Schuld eben nicht bei Zeit und Ort, Outfit oder Verhaltensweisen gesucht wird. Selbstverständlich haben wir uns trotzdem überlegt, was wir in Zukunft tun können, um auf von uns organisierten Veranstaltungen für mehr Sicherheit zu sorgen. Auch wenn weder wir noch die Betroffenen eine Mitschuld tragen: Wir werden jetzt versuchen, positive Schaffensenergie aus den Vorfällen zu schöpfen. Die Übergriffe zeigen uns doch umso mehr, wie notwendig unsere Arbeit ist. JETZT ERST RECHT!
Wenn Du gemeinsam mit uns gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt vorgehen willst: Melde Dich und verstärke unser Team! Wir erwarten auch dieses Jahr wieder mehrere tausend Teilnehmer_innen beim SlutWalk und können daher jede Hilfe im Orga- und Awarenessteam gebrauchen. Schreibt eine E-Mail oder kommt zu unseren Orgatreffen, die wir auf der Homepage http://slutwalkberlin.de/plenum ankündigen.
Für uns ergibt sich aus den Vorfällen auf der Soli-Party, dass wir mehr Zeit zur Vorbereitung des Walks brauchen, um gemachte Fehler nicht zu wiederholen und wirkungskräftige Strategien zu entwickeln, die die Sicherheit aller SlutWalker_innen erhöhen. Deshalb verschieben wir den SlutWalk Berlin 2012 um einen Monat, voraussichtlich auf den15. September 2012!
Wie haben wir angefangen?
Mitte März diesen Jahres hat ein kleiner Teil des Orgateams vom SlutWalk Berlin 2011 zu einem ersten Treffen aufgerufen, um Mitstreiter_innen zu finden, die dabei helfen wollen, auch 2012 einen SlutWalk in Berlin auf die Beine zu stellen.
Von da an folgten Plena im Abstand von vierzehn Tagen und in den folgenden Wochen kamen zu jedem Treffen neue, interessierte Personen, mit dem Wunsch, sich einzubringen. Einige haben bereits im vergangenen Jahr am SlutWalk Berlin teilgenommen und die Kritik im Anschluss verfolgt, andere waren auf Walks in anderen Städten oder haben die Bewegung medial verfolgt. Vom Team 2011 sind seitdem nur eine Handvoll der Organisator_innen aktiv.
Wir beschlossen gleich zu Beginn unserer Arbeit, einen Open Space zu organisieren, was zeitnah nach dem Walk 2011 versäumt worden war. Das Team hatte im Anschluss an den SlutWalk nicht kontinuierlich weiter gearbeitet. Einige haben sich auf Grund “inhaltliche[r] Differenzen”, die “zu groß und unüberbrückbar schienen”, komplett aus der Organisation zurück gezogen, sodass sich das Team im Wesentlichen aufgelöst hatte. Diese Auflösung wurde nicht nach außen kommuniziert. Somit konnten keine neuen Organisator_innen gefunden werden, die die Kritik aufarbeiten und rechtzeitig mit der Planung für den SlutWalk 2012 hätten beginnen können.
Leider waren uns auch die internen Probleme bei der Organisation aus dem letzten Jahr aus ähnlich pragmatischen Gründen nur wenig zugänglich, sodass wir nicht aus diesen Erfahrungswerten schöpfen konnten. Es gab nur wenig Personen, die offen mit uns kommuniziert haben. Für uns ist es nachvollziehbar, dass bei all dem Zeitdruck, unter dem auch das Orgateam 2011 stand, eine detailierte Dokumentation der Arbeitsweise nicht möglich war, und nicht jede Person nach getaner Arbeit den Kontakt mit dem neuen Team sucht, aber so bleiben wichtige Kritikpunkte leider auf der Strecke. Dabei hätten wir gerade den Einblick in die Diskussionsverläufe, die bestimmte Entscheidungen transparent und nachvollziehbar machen und verhindern, dass sich Fehler wiederholen, besonders benötigt.
Ebenso uneindeutig wurde uns der Verbleib der übrig gebliebenen Finanzen und die Höhe der Summe kommuniziert. Übergeben wurde uns ein weit niedrigerer Geldbetrag als zunächst angegeben. Dennoch waren wir sehr froh, mit einem Startkapital aus dem vergangenen Jahr arbeiten zu können. Um in Zukunft Unklarheiten zu vermeiden, führen wir ganz selbstverständlich über jeden Geldeingang und jede Ausgabe Buch.
Sofern der späte Termin für die Open Space Veranstaltung als verpasste Chance verstanden wird, zu netzwerken, liegt dem nicht die Intention zu Grunde, nicht mit queer_feministisch, antisexistisch arbeitenden Gruppen, NGOs und anderen Bündnispartner_innen zusammen zu arbeiten, ganz im Gegenteil.
Eine eindeutigere Positionierung von unserer Seite aus, wofür der Walk dieses Jahr in Berlin steht, hätte lallerdings ängst veröffentlicht werden müssen. Ein Umstand, der sich bis zum Walk ändern wird. Daraus ziehen wir die Erkenntnis, dass das Konzept SlutWalk keine Institution ist, sondern sich in einer konstanten beta Phase befindet, sensibel besprochen und von jeglicher Position betrachtet und beeinflusst werden muss.
Wo stehen wir jetzt?
Die Schwierigkeiten am Anfang, ein stetig variierendes Team, das unterschiedlich hohe Engagement Einzelner, teils unklare Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten sowie der permanente Zeitdruck, führten dazu, dass wir in unserer jetzigen Situation viel mehr mit Reaktion als mit Aktion beschäftigt sind. Wir sind als komplett neues Team alle zum ersten Mal mit einer Demonstrationsanmeldung und -organisation beschäftigt. Dass wir dadurch Fehler machen, ist Teil unseres Organisationsalltags, trotz bestem Gewissen und vollem Einsatz. Aber leider kommen wir immer wieder an den Punkt, an dem uns die mangelnde Erfahrung und Praxis ein Bein stellen.
Aus den selben Gründen haben wir es versäumt von Beginn an kontinuierlich am Selbstverständnis des SlutWalk Berlin zu arbeiten. Ohne Selbstverständnis war es uns nicht möglich alle unsere Entscheidungen und Handlungen zu reflektieren, daraufhin zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Wir arbeiten basisdemokratisch und legen bei jeder Entscheidung, die wir fällen, Wert darauf, dass sie auf dem Konsens aller im Team aktiven Personen beruht. Das liegt uns sehr am Herzen, denn das schafft Hierarchien ab und ermöglicht es jeder Person zu jedem Zeitpunkt, sofort Teil der Gruppe zu sein und sich gleichberechtigt einzubringen. In kritischen Momenten schränkt dieser Ansatz aber auch unsere Flexibilität ein. Es dauert so einfach länger, bis Entscheidungen gefällt und Positionen ausgehandelt sind, mit denen alle im Team einverstanden sind. Nicht zuletzt ist uns sehr wichtig, dass sich alle wohlfühlen und gerne mitarbeiten.
Das Lesen der vielen Kommentare ist uns in den letzten Tagen nicht leicht gefallen. Oft, weil Formulierungen uns hart getroffen haben, uns Unzulänglichkeiten, wenn auch berechtigt, in barschem Ton aufgewiesen wurden - obwohl wir immer wieder öffentlich dazu aufgefordert haben, Kritik an uns heranzutragen und konstruktiv einzubringen. Damit umzugehen ist nicht leicht. Für keine_n von uns. Und uns ist unmissverständlich klar geworden, wie differenziert die feministische Szene ist und dass, auch wenn es anders scheint, nicht alle am gleichen Strang ziehen, bzw. auf die gleiche Art und Weise Veränderung fordern. Aber auch gerade deshalb wollen wir jetzt handeln, damit unsere Anliegen nicht durch Ungenauigkeiten oder Fehler getrübt werden.
Welche Konsequenzen folgen?
Die erste Konsequenz war, den Demotermin zu verschieben. Wir suchen nach Strategien für unser Awarenessteam und Handlungsmöglichkeiten für alle SlutWalker_innen, die die Sicherheit auf dem Walk erhöhen und die Gefahr für sexualisierte Übergriffe und den sexistischen Eingriff in die Privatsphäre durch penetrantes Photographieren und Filmen minimieren.
Wir bemühen uns zudem von nun an unsere Forderungen viel klarer, offensiver und kontinuierlicher nach außen zu vertreten.
Wir arbeiten verstärkt an unserem Selbstverständnis und wollen den Input verschiedener Organisationen einbringen. Dazu suchen wir auch den Austausch mit ehemaligen und aktuellen Orgateams deutschlandweit.
Inzwischen haben wir zudem erfahren, dass es Workshop-Angebote von LesMigras und Hydra gab. Wir sind dabei, die Teilnahme an Workshops zu Critical Whiteness, Definitionsmacht und anderen für unsere Arbeit relevanten Themen zu ermöglichen.
Mit der Kritik an dem Begriff “Slut” haben wir uns intensiv auseinander gesetzt. Trotzdem hat das SlutWalk Berlin Team sich gegen eine Umbenennung entschieden und will als Teil einer globalen, feministischen, antisexistischen Protestbewegung solidarisch mit den SlutWalks weltweit sein.
Wir sind dabei einen Untertitel zu formulieren, der zukünftig immer in Verbindung mit der Bezeichnung SlutWalk stehen soll und eindeutig über unsere Ziele aufklärt.
Schliesslich arbeiten wir an konkreten politischen Forderungen, mit denen unsere Anliegen untermauert und antisexistische Veränderungen in der Gesellschaft bewirkt werden sollen.
Weiterhin sind wir offen für Anregungen, ob von Privatpersonen oder Organisationen, die mit uns für eine Welt ohne Sexismus, sexualisierte Gewalt und deren Verharmlosung und für sexuelle Selbstbestimmung kämpfen wollen!
Euer SlutWalk Berlin Team 2012
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Stellungnahme des SlutWalk Berlin Teams 2012
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